Präventionsveranstaltung zu 10 Jahre Winnenden
Kreis. Seine Erfahrungen als ehemaliger Einsatzleiter der DRK-Einsatzkräfte beim Amoklauf von Winnenden/Wendlingen im Jahr 2009 gibt Johannes Stocker weiter. Das SWR-Team filmte den DRK-Kreisgeschäftsführer nun bei einer Unterrichtseinheit.
Die Vorbereitungen an der DRK-Landesschule Baden-Württemberg in Pfalzgrafenweiler laufen, denn ein vierköpfiges SWR-Team hat sich angekündigt.
Referent Johannes Stocker sieht es locker: "Wir haben vorher alles abgesprochen. Das wird schon." Am Morgen hatte er mit den Notfallsanitäter-Schülern Themen wie "Warum habe ich die Ausbildung zum Notfallsanitäter begonnen", "Was ist Stress?", "Wie bewältige ich diesen?" und weitere erarbeitet.
Da die angehenden Notfallsanitäter das Buch von Johannes Stocker "Elf Tage im März" vorab gelesen hatten, konnte der DRK-Kreisgeschäftführer gleich in die Fachthematik einsteigen. Im März 2009 begann der Amoklauf an der Albertville-Realschule in Winnenden, wobei der Täter anschließend auf der Flucht weitere Menschen verletzte und tötete.
Zehn Jahre nach dem schrecklichen Ereignis will der SWR darüber berichten, wie sich das Vorgehen der Einsatzkräfte bei solchen Vorkommnissen geändert hat und welche Präventions- und Schulungs-Maßnahmen vorgenommen werden.
Deshalb filmt das SWR-Team mit Andrea Lotter und Stefan Maier (Redaktion), Hanfried Rothe (Kamera) und Stephen Breitling (Ton) an verschiedenen Drehorten und spricht mit den Beteiligten und heutigen Einsatzkräften über neue Erkenntnisse. Ein Drehort ist die DRK-Landesschule Baden-Württemberg in Pfalzgrafenweiler.
Die angehenden Notfallsanitäter erfahren anhand einer Präsentation, wie die Einsatzkräfte 2009 vorgegangen waren und stellen Fragen zum Einsatzhergang. Vor allem die Kommunikation vor Ort und von der integrierten Leitstelle mit den Einsatzkräften vor Ort, interessiert die Schüler.
"Damals gab es noch keine neuen Medien wie Facebook oder WhatsApp", berichtet Johannes Stocker, dass anfangs noch per Handy kommuniziert werden konnte. Weil innerhalb kürzester Zeit ein hohes Medienaufkommen vor Ort war, brach das Netz bald zusammen. Das Funkgerät sei für die Helfer die einzige Lösung gewesen.
"Wir haben viel daraus gelernt", weiß der damalige Einsatzleiter Johannes Stocker und erklärt weiter: "Als ich damals im Rettungsdienst anfing, war so eine Schadenslage für uns noch kein Thema. Damals gab es keine Notfallnachsorge." Der Angehörige sei da gesessen und hätte sich selbst Hilfe suchen müssen. Die Rettungskräfte hätten mit ihm zwar gesprochen, aber waren für die Nachversorgung nicht geschult.
Mit Blick auf 2009 erklärt Johannes Stocker: "Wir hatten den MANV (Massenanfall von Verletzten), aber der war für diese Einsatzlage völlig ungeeignet". Zur Zeit des Einsatzes kannten sich die Führungskräfte bereits sehr gut und hatten gemeinsam schon ein Deeskalationstraining durchgeführt, aber Vorgaben zur Vorgehensweise in diesem Fall habe es nicht gegeben.
In diesem Bereich habe sich viel getan. Beispielsweise sei das Netz der Hilfe aufgebaut worden, sodass in Schadenslagen Helfer verschiedener Bereiche durch die gute Kooperation schnell allen Beteiligten helfen können.
Wie wichtig so eine Verknüpfung ist, macht Johannes Stocker mit Beispielen aus 2009 deutlich. Viele Eltern seien, nachdem sie vom Amoklauf gehört hatten, zur Schule gestürmt und wollten mehr über den Zustand ihres Kindes erfahren. "Wir konnten und durften nichts sagen", beschreibt Johannes Stocker die Zwickmühle, in der er alle Beteiligten steckten. Die Polizei hatte damals die Kommunikation übernommen, um allen Medien einheitliche Informationen geben zu können und die Eltern sowie Betroffenen somit über die Medien nicht zu verwirren.
"Wer hat sich um die Eltern des Amokläufers gekümmert?", hakt eine Schülerin nach. Johannes Stocker verweist auf die Polizei. Eine weitere will wissen, ob im Zug der "mobilen Einsatzlage" Vorsichtsmaßnahmen an der Albertville-Realschule getroffen worden seien, immerhin hätte der flüchtige Täter zurückkommen können.
Ein weiterer Schüler will wissen, wie Johannes Stocker das Geschehene verarbeitet habe. Zuvor hatte er davon berichtet, wie er zusammen mit Kollegen die Notrufe der Schüler und Betroffenen abhören musste, um diese zu dokumentieren. "Als ich nachts heimgefahren bin, habe ich laut Musik gehört und dann mit meiner Frau bei einer Tasse Kaffee geredet", erklärt Johannes Stocker und betont, dass er sich auf drei Faktoren verlassen konnte: auf ein stabiles privates Umfeld, ein berufliches Umfeld und einen Anker wie den Glauben. Er wisse aber auch, dass für viele 2009 ein schreckliches Jahr war und dass so mancher seinen Dienst für immer aufgrund der schrecklichen Vorgänge aufgeben musst.
Den angehenden Notfallsanitätern empfahl er, nach solchen Geschehnissen mit Kollegen zu sprechen. Man könne nicht vergessen, aber verarbeiten. Diese Erfahrungen und viele weitere will das SWR-Team sowohl mit einem Fernseh-Bericht, als auch mit Hörfunkbeiträgen im März 2019 veröffentlichen.
Weitere Informationen zum Vortrag von Johannes Stocker <link https://www.drk-kv-fds.de/kreisverband/aktuelles/newsdetails/archiv/2018/juni/04/meldung/489-kreisgeschaeftsfuehrer-berichtet-bei-elf-tage-im-maerz.html?tablet=1&cHash=cca8f469df2ba217203a6a5e856b88c9 _blank external-link-new-window>hier</link>