Arztvortrag in Dornstetten mit schockierenden Informationen
Erschreckende Fotos zeigte Dr. med. Gerald Hellstern, Chefarzt für Kinder- und Jugendmedizin am Krankenhaus Freudenstadt bei seinem Vortrag im Autohaus Weinläder in Dornstetten. Zu dem Vortrag mit zahlreichen Präventionsempfehlungen luden der DRK-Ortsverein Dornstetten/Glatten/Schopfloch und das Team Weinläder ein.
Hans Holzberger, Geschäftsführer vom Autohaus Weinläder in Dornstetten, freute sich, 23 Interessierte zum Vortrag begrüßen zu können. Im Namen des DRK-Ortsvereins Dornstetten/Glatten/Schopfloch hieß Conny Schwab die Gäste zum sechsten Vortrag im Autohaus willkommen und wünschte einen spannenden Vortrag.
Dr. med. Gerald Hellstern hatte das ernste Thema in verschiedene Bereiche gegliedert und zeigte Fallbeispiele auf. Immer wieder wies der Mediziner darauf hin, dass die Diagnostik nach einer Misshandlung nicht einfach zu treffen sei, je nach Alter des Kindes und der Art der Misshandlung, von seelischer über körperlicher Misshandlung, aber auch Vernachlässigung.
Die Geschichte zum Thema Kindesmisshandlung verbildlichte Dr. med. Gerald Hellstern mit der Geschichte von Max und Moritz, die in Säcke gesteckt und geschrotet wurden. In der Geschichte handle es sich um eine Verniedlichung von Misshandlung mit Todesfolge, so der Mediziner. Vor den 1870er-Jahren sei das Thema Kindesmisshandlung noch nicht groß thematisiert worden.
1875 wurde in Amerika die The New York Society for the Prevention of Cruelty to Children gegründet und später in Deutschland der Kinderschutzverein, der als heutiger Kinderschutzbund bekannt ist. Lange Zeit gab es das Züchtigungsrecht, weshalb Gewalt bei vielen an der Tagesordnung war.
Besonders erschreckend fanden die Zuhörer, dass in Deutschland 1977 Prügel von 70 Prozent der Bürger noch gebilligt wurden. "Da sieht man, wie kurz dieser gesellschaftliche Wandel ist", verdeutlichte Dr. Gerald Hellstern, dass erst vor 19 Jahren Kindern mit der Schaffung eines Gesetzes das Recht auf gewaltfreie Erziehung eingeräumt wurde.
Wie hoch die Zahl der misshandelten Kinder und Jugendlichen in Deutschland sei, wäre schwer zu sagen, denn die Dunkelziffer sei hoch. Gesunken sei die Zahl zum plötzlichen Kindstod. Oft seien die Täter Menschen aus dem Umfeld des Kindes.
Die Symptomatik sei abhängig vom Alter und der Entwicklung des Kindes. Manchmal seien die Missbräuche nicht zu erkennen, denn nicht immer handle es sich um körperlichen oder sexuellen, sondern auch um seelischen Missbrauch, Vernachlässigung oder anderen schwer erkennbaren.
Einen Patienten habe er gehabt, der jahrelang missbraucht wurde und nichts gesagt habe. Misshandelte würden die Schuld oft bei sich suchen, wobei die Täter oft kein Schuldbewusstsein zeigen würden. "Nicht nur der Täter kann weitermachen, auch erfolgt keine Therapie", betonte Dr. Gerald Hellstern.
Ein Zuhörer wollte wissen, wen der Mediziner im Falle eines Missbrauchsverdachts einschalten würde. "Wir wenden uns an das Jugendamt", erklärte Dr.Gerald Hellstern, dass nicht etwa die Polizei oder andere Ämter eingeschaltet werden würden.
Als Mediziner habe er beispielsweise vor 14 Jahren ein Kind mit Schütteltrauma erlebt, dass mit drei Monaten aufgrund des zu starken, heftigen und gewaltsamen Schüttelns im Wachkoma landete und später starb. Mit Fotos zeigte der Kinderarzt, welche Schäden bei einem Säugling oder Kleinkind im Gehirn bei zu heftigem Schütteln angerichtet werden können.
In seiner Zeit als Assistenzarzt habe er ein acht Monate altes Mädchens mit beidseitiger Hirnblutung behandelt, dessen Eltern behauptet hätten, es sei vom Sofa gefallen. Das Kind hatte ebenfalls ein Schütteltrauma erlitten, wahrscheinlich weil die jungen Eltern überfordert gewesen wären und der Vater als Kind selbst misshandelt worden sei. Überlebt habe das Kind, erlitt allerdings eine geistige Behinderung und wurde aus der Familie herausgeholt und in ein Heim gebracht.
Als Präventionsmaßnahmen nannte er neben Opfer-, Täterpräventionen auch die Familienhebammen im Landkreis Freudenstadt, die aufgrund einer Förderung im ersten Lebensjahr des Kindes Risikofamilien unterstützen könnten.
Ebenso si das Netzwerk Kinderschutz im Landkreis Freudenstadt, dem verschiedene Institutionen angehören, aktiv und treffe sich zwei Mal jährlich.
Verschiedene Statistiken hatte der Mediziner ausgewertet, weshalb er jährlich auf rund 0,4 Fälle von Kindermisshandlung im Landkreis Freudenstadt kam. Wie solche Misshandlungen aussehen würden, verdeutlichte er mit Fotos nach Stockschlägen, von Hämatomen an Ohren oder von kreisrunden Verbrennungen einer Zigaretten. Kinder würden sich auch nicht den Handrücken oder rein die Füße verbrennen, wenn dann würden sich die Verbrennungen beispielsweise beim Steigen in zu heißes Badewasser auf den ganzen Körper beziehen.
Meist Mütter, aber auch Väter, die am Münchhausen-Stellvertretersyndrom leiden, würden ihre Kinder vorsätzlich verletzten, um einen Arztbesuch hervorrufen zu können. Diese Krankheit der Eltern sei eine psychische Krankheit, die oft schwer wahrzunehmen sei.
Ein Zuhörer wollte wissen, ob die Kliniken in Deutschland miteinander vernetzt seien, um solche Mehrfachverletzungen erkennen zu können. Laut Dr. Gerald Hellstern hätte es einmal einen Versuch gegeben, der aber aufgrund des Datenschutzes gescheitert sei.
Weiter wollten die Zuhörer wissen, ob der Mediziner in den vergangenen Jahren mehr solcher Behandlungen nach Misshandlungen erlebt habe, was er verneinen konnte. Einer der Anwesenden konnte nicht nachvollziehen, warum häufig Eltern, die selbst als Kinder misshandelt wurden, das auch ihren Kindern antun würden: "Man denkt ja, dass die es besser wissen würden."
Zum Thema Trennungskinder, die einen Elternteil nicht besuchen wollen, hakte eine Zuhörerin nach. Dr. Gerald Hellstern erklärte, dass Trennungskinder ein schwieriges Thema seien. Kindesmisshandlung könnte erfolgt sein, aber bei einem Trennungskind sei das oft schwer herauszufinden, wolle das Kind doch weder Papa noch Mama etwas Schlechtes und schweige daher eher.
Conny Schwab dankte im Namen des DRK-Ortsvereins Dornstetten/Glatten/Schopfloch und dem Team des Autohauses Dr. Gerald Hellstern für den informativen Vortrag.
Nach dem Vortrag konnten die Besucher sich mit Dr. Gerald Hellstern bei einem Imbiss austauschen und weitere Fragen stellen.